Ein ungewöhnlicher Jahresstart

Roman Brogli-Sacher leitet ein denkwürdiges Neujahrskonzert der Lausitzer Philharmoniker.

Hoyerswerda. Die Mischung macht's - das dritte Philharmonische Konzert, zugleich Neujahrskonzert der Neuen Lausitzer Philharmonie, überzeugt inhaltlich mit einem Bogen von Kurt Weill bis zu Klassikern von Franz Lehár und Johann Strauss (Sohn).

Am Neujahrstag begann die Serie traditionell in Hoyerswerda. Unter Leitung von Generalmusikdirektor Roman Brogli-Sacher erlebte das Publikum in der gut gefüllten Lausitzhalle ein beherzt und präzis aufspielendes Orchester.

Es zündete etwas verzögert, begann doch die Suite aus Weills „Dreigroschenoper“ mit einer eher schwerfällig wirkenden Ouvertüre. Doch bei der „Moritat von Mackie Messer“ war der schaurig-komische Ton getroffen. Das „Liebeslied“ gelang höchst innig, die „Ballade vom angenehmen Leben“ erhielt zu vordergründiger Leichtigkeit einen schwermütigen Unterton. Hinreissend: „Polly's Lied“. Konzertmeister Wasilij Tarabuko adelte es mit seinem Solo und vor allem tat es Soloflötistin Katrin Paulitz, der noch mehrmals an diesem Abend höchst berührende Partien gelangen.

Mieczysław Weinberg als reiner Glücksfall

Was folgte, ist im Rahmen solch konfettireicher Anlässe ungewöhnlich bis sensationell: das Konzert für Trompete und Orchester B-Dur von Mieczysław Weinberg. Der 1919 in Warschau geborene, spätere Schostakowitsch-Freund wird erst seit wenigen Jahren in seiner Bedeutung als Komponist erkannt. Weinberg wurde als junger Mann vom Schicksal aufs Härteste getroffen. Beim Überfall auf Polen flüchtete er wegen seiner jüdischen Herkunft aus Warschau gen Osten.

Die jüngere Schwester an seiner Seite lief sich nach wenigen Kilometern die Füsse wund und kehrte um. Sie und seine Eltern sollte Weinberg nie wieder sehen. Nach Jahren erfuhr er, dass seine Familie von den Nazis ermordet wurde.

Die Erfahrungen von Flucht, Verfolgung und Krieg sind auch dem 1967 vollendeten Trompetenkonzert eingeschrieben, dessen Solopart mit Lennard Czakaj brillant besetzt ist. Kurzatmige, hastige Läufe aufwärts markieren den Beginn und flackern später wie ein Leitmotiv der Angst immer wieder auf. Anklänge an den Trauermarsch aus Mahlers Sinfonie gehen in grotesker Nahtlosigkeit in Mendelssohns Hochzeitsmarsch über.

Weitere Zitate und Reminiszenzen an jüdische Folklore reichern dieses Konzert an, dessen melodischer Kraft Czakaj wunderbar Ausdruck verlieh. Das Zusammenspiel mit dem Orchester gelang so flüssig, als ginge der Solist hier täglich ein und aus.Bravo!

Der obligate Radetzky-Marsch fehlte nicht

Roman Brogli-Sacher, der erstmals als Chefdirigent ein Neujahrskonzert in der Lausitz leitete, bedankte sich nach geschliffen musizierten Ouvertüren und Walzern von Strauss und Lehár beim Publikum für dessen Treue, die er als „Zeichen der Hoffnung“ liest.

Was gäbe es in der Musik Schöneres, neben der menschlichen Stimme, als „ein Orchester und die reiche Kultur“, die sich damit verbindet? Stehender Applaus am Ende, die Philharmoniker grüssten in den Saal und stiessen mit Sekt an. Der Dirigent lud das Publikum beim obligaten Radetzky-Marsch von Johann Strauss senior zum differenzierten Mitklatschen ein.

Nein, nichts bleibt wie immer. Wohl gerade deshalb aber ist ein Neujahrskonzert immer wieder schön.

Nochmals in den Theatern Görlitz (3. und 7.1.), Zittau, (4.1.), im Bürgerhaus Niesky (5.1.) und im Hotel „Stadt Dresden“ Kamenz (6.1.)