Arthur Honeggers Meisterwerke
Arthur Honegger: Sinfonien 1-5
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck, Leitung: Roman Brogli-Sacher
In seiner Zeit als Generalmusikdirektor hat Roman Brogli-Sacher den Ruf der Lübecker Oper gestärkt und für neuen Glanz gesorgt. Die Auszeichnung mit dem ECHO Klassik-Preis 2012 für die DVD-Produktion des Lübecker "Rings" ist nur eines von vielen Belegen dafür. Kurz vor seinem Abschied von der Trave nach zwölf Jahren verewigt sich Brogli-Sacher nun noch mit einem ungewöhnlichen Projekt auf Super Audio CD: Mit dem Philharmonischen Orchester der Stadt Lübeck hat der Dirigent sämtliche Sinfonien seines Schweizer Landsmanns Arthur Honegger in Konzerten aufgenommen.
Beklemmende Intensität
"Es ist der Marsch der Roboter gegen den zivilisierten Menschen, der einen Leib und eine Seele besitzt", sagte Honegger über den dritten Satz seiner dritten Sinfonie. Das stumpfe Tröten der Blechbläser wird zur musikalischen Botschaft: Der Komponist wendet sich hier, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, gegen den Maschinismus und die Barbarei der Moderne. Er betitelt das Stück "Liturgische Sinfonie" und nennt die drei Sätze nach Abschnitten der Totenmesse.
Mit krachenden Akzenten und giftigen Trompetentönen beschwört Honegger zu Beginn das Dies Irae, den Tag des Zorns, der alles hinweg fegt. Diese düstere Stimmung prägt fast die ganze Sinfonie. Erst kurz vor Schluss klärt sich der Himmel auf; mit weichen Streicherlinien und hellem Flötenzwitschern erträumt sich der Komponist eine Taube als Versprechen auf den Frieden - Dona nobis pacem.
Die dritte und wohl bekannteste Sinfonie von Honegger ist ein Bekenntniswerk von mitunter beklemmender Intensität - und damit ganz typisch für sein sinfonisches Schaffen. Denn der Schweizer Komponist konnte und wollte nicht bloß schöne Töne schreiben. Drei seiner fünf Sinfonien offenbaren persönliche Botschaften. Deren emotionale Schwere ist in der Aufnahme von Brogli-Sacher und den Lübecker Philharmonikern immer wieder zu spüren.
Lebendige Interpretation
Seine zweite Sinfonie schrieb Honegger 1940, mitten im Zweiten Weltkrieg. Und auch sie klagt, ächzt und stöhnt oft so, als würde sie von der Last des menschlichen Leids niedergedrückt. Auch hier schimmert erst am Ende etwas Hoffnung auf - wenn in den Blechbläsern ein Choral erklingt.
Ganz anders gibt sich Honegger in der vierten Sinfonie: Da dominieren die hellen, freundlichen Farben. Und auch die gehören zur breiten Palatte der Lübecker Philharmoniker. Sonnig schimmern die Streicher, munter juchzt die Klarinette.
Brogli-Sacher und sein Orchester spielen in den Konzertaufnahmen auf sehr hohem Niveau - auch wenn die Lübecker Musiker nicht ganz an die internationale Spitzenklasse heranreichen. Mit ihrer lebendigen und teilweise leidenschaftlichen Interpretation enthüllen sie die Größe der Sinfonien. Wenigstens drei davon sind echte Meisterwerke. Das gilt auch für die besonders düstere Fünfte, die mit kraftlos flackernden Bläsern und einem gespenstischen Paukenton ausklingt. Hier ist die Hoffnung auf eine bessere Welt längst begraben.
Vorgestellt von Marcus Stäbler
NDR Kultur | Neue CDs | 12.11.2012 | 15:20 Uhr
Klassische Schönheit und raffinierte Emotion bei den Philharmonikern
Fast ein halbes Jahr hatte man auf GMD Roman Brogli-Sacher am Konzertpult in der MuK verzichten müssen. Nun war er zum 8- Sinfoniekonzeft am 4. Juni mit einem stilistisch reichhaltigen und inhaltlich vielschichtigen Programm zurück - zur Freude des Publikums. Assoziative Magie strahlt Ravels "Rapsodie espagnole" (so der Originaltitel) aus, farbprächtig von den Lübecker Philharmonikern ausgemalt. Das Nachtstiick schweifte geheimnisvoll in den Streichern, akzentuiert durch Klarinetten- und Fagotttupfer, die „Malaguefra" kreiste untergründig in spanischer Koloristik. Nach den raffinierten Tangoverschleifungen der "Habanera" funkelte unter hellem Himmel der ausgelassene Trubel bei ,"Feria", die das Orchester agil hinzauberte.
Die ganze Schönheil von Mozarts Sinfonia concertante Es-Dur KV 364 breiteten die Solistinnen Mayumi und Naomi Seiler aus. Fein dialogisierten Violine und Viola mit subtil gesetzten Melodievaleurs. getragen von den Orchesterstreichern, den kantablen Oboen-aufhellungen und den Hörnern des ausgezeichneten Orchesters. Mozart lässt im herausragenden Werk den galanten Serenadenton weit hinter sich. Gerade das Andante in c-Moll gestalteten die Schwestern gefühlvoll und innig, gefolgt vom Finale voller blitzender Spiellust Mozarts Spiel mit der Hörerwartung, die getäuscht, dann erfüllt wird, in attraktivem Zugriff. Chefdirigent Brogli-Sacher steuerte das Geschehen souverän.
Beim Brahmszyklus stand nun die 3. Sinfonie F-Dur im Fokus, die später als CD-Mitschnitt herauskommen wird. Überaus kraftvoll eröffnete der Dirigent das Werk, entwickelte dann entschieden die Ausdrucksvielfalt des ganzen ersten Satzes, den der Komponist höchst kunst-voll angelegt hat. Das Orchester leuchtete das Andante kultiviert aus und verströmte im Allegretto-Satz sehnsuchtsvolles Schwärmen, das schlüssig ausbalanciert war - im Violoncello, in den Streichern und Hotzbläsern. Schließlich verdichteten Brogli-Sacher, der ganz in seinem Element war, und die Philharmoniker einleuchtend die Brahms-Stilistik des Finales - emotionale Weite auf der Grundlage konstruktiver Tüftelei und Versenkung in den musikalischen Gehalt ohne jede Effekthascherei schlossen sich fesselnd zusammen.
Wolfgang Pardey; Lübeckische Blätter 16. Juni 2012
Brogli-Sachers letzte Saison
Ein jeder Wechsel schreckt den Glücklichen. Wo kein Gewinn zu hoffen, droht Verlust. (Schiller)
Die nächste Saison der Lübecker Philharmoniker ist die letzte, die unter GMD Roman Brogli-Sachers Verantwortung steht. Seit der Spielzeit 2001/202 in Lübeck hat er die Konzertreihen mit Programmen belebt, die eine individuelle Handschrift zeigen. Oft sind sie thematisch stukturiert, auch wenn Gastdirigenten mit dem Orchester arbeiten. Vor allem die vom Chef selbst dirigierten bescherten dem Lübecker Publikum manche Rarität, wovon einige auch auf CD bewahrt wurden.
In der letzten Saison steht Brogli-Sacher nur dreimal vor dem Orchester, zunächst mit reizvollen Werken moderner Klassiker (Milhaud, Kabalewski und Lutoslawski). lm Januar 20l3 ist das Wien des Fin de Siècle mit dem Gegensatz von Tag und Nacht Thema. Werke von Strauss, Schönberg und dessen Lehrer und Schwager von Zemlinsky beziehen sich zudem auf die „Elektra", die unter Brogli-Sacher im Oktober Premiere hat. Sein letzter Auftritt ist dann im Juni der heiteren Wiener Klassik, gewidmet. Zwei Sinfonien, Beethovens erste und Mozarts A-Dur KV 201, rahmen das C-Dur-Klavier-Konzert KV467.
Diese drei Konzerte strukturieren das Geschehen in der nächsten Saison. Nach dem ersten Dirigat im September folgt ein besonders beachteter Block von drei Bewerberkonzerten um die Nachfolge …… Alles verspricht eine höchst interessante Abschlusssaison für Brogli-Sacher zu werden. Er hat es geschafft, die Auslastung stetig zu entwickeln und die Abonnenten auf tüber 1.000 zu erhöhen. Vier Kinder-, Jugend- und Familienkonzerte, das Neujahrskonzert, zwei Klangbilder in Zusammenarbeit mit Lübecker Museen und acht sehr abwechslungsreiche Kammerkonzerte runden ein musikalisches Angebot auf hohem Niveau. An einen Nachfolger werden hohe Erwartungen gestellt.
Arndt Voß; Lübeckische Blätter 16. Juni 2012