Bogen von Amerika nach Tibet
Die Lausitzer Philharmoniker musizieren unter Roman Brogli-Sacher interkontinental.
Von Karsten Blüthgen
Weltumspannend lässt sich das Konzert nennen, womit die Neue Lausitzer Philharmonie gerade unterwegs ist. Minimal Music von einem ihrer Pioniere, dem Amerikaner John Adams, trifft auf Anton Bruckners vierte Sinfonie, die „Romantische“. Dazwischen führt Fazil Say mit seinem Konzert für Klavier und Streichorchester „Silk Road“ durch Länder entlang der Seidenstrasse: Tibet, Indien, Mesopotamien und Anatolien. Eine so anspruchsvolle wie ansprechende Zusammenstellung für Roman Brogli-Sacher am Pult. Der frisch gebackene Generalmusikdirektor an der Neisse stimulierte sein Orchester zu grosser Flexibilität und Musizierlust.
Adams' Motorik permanent wiederholter Motive, ein Merkmal des Minimal-Stils, entfaltete am Freitag im Theater Görlitz Stringenz, ohne mechanisch oder kalt zu wirken. Der Foxtrott für Orchester „The Chaiman Dances“ ist Teil der 1987 uraufgeführten Polit-Oper „Nixon in China“, womit Adams dem ersten Staatsbesuch eines amerikanischen Präsidenten in der Volksrepublik ein Denkmal setzte. Graziös „tanzten“ die Philharmoniker den Foxtrott, der dieses Werk grundiert und wellenartig hervortritt.
Fazil Say, ein 1970 in Ankara geborener Pianist und Komponist, lässt in „Silk Road“ Situationen und Impressionen bildhaft und in schonungslosem Kontrast vorüberziehen: Gesang tibetischer Mönche, indische Tänze, wo das präparierte Klavier traditionelle Instrumente imitiert, Massaker, schliesslich ein türkisches Klagelied. Solist Sheng Cai verlieh seinem Klavierpart Energie und Intensität, die unmittelbar packte. Brogli-Sacher und das Orchester wirkten nicht minder inspiriert und hatten so ihren Anteil an einer so genussreichen wie aufreibenden Darbietung.
Sheng Cai wurde mit asiatischen Wurzeln in Kanada geboren. Fazil Says interpretierte er wie massgeschneidert, seine Reserven schienen unerschöpflich. Als Zugabe liess er die „Etude de Sonorite No. 2“ seines Landsmanns Francois Morel folgen und wirkte selbst nach diesem Bravourstück, das Zuhörende zur Stuhlkante vorrücken liess, nicht geschafft.
Die „Romantische“ des Jubilars Bruckner machte Broglie-Sacher, einem sinfonischen Meilenstein angemessen, monumental zu Klang: mit übersinnlichen Tremoli, archaischen Quinten, zehrenden Anläufen, harschen Abbrüchen. Mit Wellen der Zuspitzung und Entspannung. Ein Leben in Musik, Bravo!
Nochmals in Görlitz am 29.10. in Bautzen am 31.10.